Kinder digital begleiten

Unsere Kinder wachsen heute in einem Umfeld auf, in dem es völlig normal ist, zu youtuben, facetimen, snappen, zoomen, tiktoken oder zu whatsappen. Spätestens, wenn der Nachwuchs ein eigenes Smartphone bekommt, hat er ungefilterten Zutritt zu unserer Erwachsenenwelt. Bis zur Schule haben wir noch direkten Einfluss darauf, noch schon ab der 3.-4. Klasse öffnet sich für viele eine neue aufregende Tür. Das Netz Deines Kindes ist aber ein anderes Internet als das, wie Du es nutzt und erlebst.

Fragst Du Dich auch manchmal?

• Wieviel Mediennutzung ist ok?
• Welche Apps sind ok?
• Wo muss ich Häkchen setzen, um mein Kind zu schützen?
• Wie geht mein Kind mit der Flut an Infos und Nachrichten um?
• Mit wem ist mein Kind virtuell in Kontakt?
• Wie kann ich es gut begleiten?
• Wie bleiben wir im engen Austausch?
• Kontrolle, Verbote oder Vertrauen?

Ich habe mit Leonie Lutz gesprochen. Sie ist Expertin für den Medienumgang von Kindern mit und seit über 17 Jahren im Online-Business unterwegs. Sie hat die Online-Plattform „Kinder Digital begleiten“ gegründet und ist selber Mutter von zwei Töchtern im Alter von 6 und 16 Jahren. Ich durfte ihr ein paar Fragen stellen, was wir als Eltern beachten müssen.

Ihre Recherchen haben ergeben: „Panik und Verbote sind heutzutage nicht sinnvoll, aber ebenso wenig kann ich blindes Vertrauen empfehlen.“ Denn mit ihrem Kinder-Fake-Account hat sie durchaus Beunruhigendes erlebt. Gleichzeitig habe ich Leonie bewundernswert ruhig kennengelernt, wenn sie über das Thema spricht und sie gibt mit viel Expertise lächelnd tolle Tipps:

 

1. Leonie, wie kam es, dass Du die Online-Platform „Kinder digital begleiten“ gegründet hast?

Leonie: Ich bin seit 2003 fast ausschließlich fürs Netz tätig, hab als Redakteurin für verschiedene Online-Redaktionen gearbeitet und im Bereich Producing Digital-Angebote konzipiert und realisiert. Wenn man sich von Berufs wegen ständig mit Apps und digitalen Inhalten beschäftigt, wird man zum Ansprechpartner für andere – in meinem Fall waren das die befreundeten Eltern durch die Freunde meiner großen Tochter. Vor allem als es losging mit Smartphone und konkret mit TikTok, Snapchat und Instagram traten Freunde mit Fragen an mich heran. Gleichermaßen war es einigen aber auch zu zeitintensiv, sich selbst mit allem zu beschäftigen.

So entstand meine Idee, Grundwissen für Eltern zu bündeln. Nach etwas über neun Monaten hatte ich zwei Onlinekurse fertig – für Eltern von Kindergarten- und Vorschulkinder und für Eltern von Grundschulkindern & Teens. Ich wollte es so einfach wie möglich halten. Viel Wissen, solide Inhalte, aber vor allem Learnings für die Eltern, wo sie nicht nur sagen: Das wusste ich ja noch gar nicht! Sondern auch sagen können: Ich fühle mich sicherer durch das neue Wissen. Und wenn Eltern im Thema sind, dann bedeutet das natürlich auch mehr Schutz für die Kinder, weil die Dinge besprochen werden.

 

2. Du warst selber als Kind getarnt im Netz unterwegs. Wie war das und was hast Du erlebt?

Leonie: Richtig, meine Recherche als Kind im Netz bildet eine Säule. Die kam auch direkt von Anfang an ins Boot. Ich habe also überall Accounts so angelegt, wie Kinder es NICHT tun sollten, nämlich indem durch meinen Nutzernamen jede Menge Informationen ablesbar waren: Geschlecht, Name, Wohnort. Das wäre also so, wie wenn ich mich nennen würde: Leonie12auskoeln dann habe ich einem potenziellen Täter schon eine Menge Infos geliefert: Leonie ist weiblich, 12 Jahre alt und kommt aus Köln. Und so in etwa habe ich meine Parallel-Recherche gestartet, die ich heute immer noch weiterlaufen lassen, aber nicht mehr täglich, denn da kommt irgendwann der Punkt, da muss man auf sich selber aufpassen, sich schützen, und auch mal zurückziehen. Dieser praktische Einblick ist für meine Arbeit super wichtig.

 

3. Das klingt gruselig, was war Deine schlimmste Erfahrung?

Leonie: Es gab eine Menge gruseliger Erfahrungen. Besonders tragisch waren die Cybergrooming-Fälle, also die sexuelle Anbahnung in Chats mit der Absicht einer sexuellen Handlung. Das habe ich fast überall erlebt. Mal zurückhaltender, oft aber auch massiv. Ich spreche hier von pornografischen Inhalten, die Cybergroomer an mich geschickt haben, in der Annahme, ich sei ein Kind.

 

4. Wie hat Deine Arbeit Dein Verhalten zu Medien geprägt?

Leonie: Ganz wichtig: Ich finde digitale Medien großartig. Aber sie bergen eben auch Gefahren. Es ist ja auch nicht so, dass soziale Netzwerke oder andere Apps per se schlecht sind, es sind eher die Menschen, die sie für schlechte Handlungen benutzen. Und von diesen Dingen berichte ich in meinen Kursen, damit Eltern wissen: Mein Kind will sich App XY runterladen, ich kann die mir jetzt nach den vorgeschlagenen Punkten aus dem Kurs angucken und dann mit meinem Kind die Sicherheitseinstellungen wie Privatsphäre etc. einrichten. So werden auch Kinder davon profitieren, weil man ohne Angst und mit Wissen an das Thema rangeht. Das geht aber nur, wenn Eltern mehr beibringen können als „so verschickt man eine E-Mail“.

 

5. Was ist Dein Tipp an Eltern in Sachen Mediennutzung? Ruhig bleiben, Interesse zeigen?

Leonie: Ja unbedingt. Laptops & Smartphones kann man wunderbar mit vorinstallierten Kindersicherungen versehen und dann auch ganz konkret mit dem Kind besprechen, welche Seiten, welche Angebote benutzt werden dürfen. Cool ist natürlich immer, wenn Eltern sich auskennen und Alternativen aufzeigen können. Statt Google eher Kindersuchmaschinen, statt Onlinegames zum Beispiel lieber die Spiele-Seiten von Blinde Kuh. Und auch YouTube empfehle ich nicht, es gibt genügend sichere Alternativen mit geprüften Inhalten, die eine Redaktion zusammenstellt.

 

6. Was sind aus Deiner Sicht die drei absoluten No-Gos in Bezug auf Kids & Medien?

Leonie: No-Gos sind für mich 1. permanente Kontrolle, also wenn Eltern auch die Nachrichten ihrer Kinder lesen, ohne vorher gefragt zu haben. 2. Panische Verbote, weil sie meist unbegründet sind und Kinder das nicht verstehen, wenn Eltern ihnen nicht nachvollziehbare Argumente liefern können. Und natürlich 3. die digitalen Interessen eines Kindes nicht ernst zu nehmen, sie zu belächeln oder zu verbieten, weil es „ein Spiel“ ist und man vielleicht Angst vor Sucht hat. Angst ist kein guter Begleiter. Was sich auszahlt, ist Interesse. Und Wissen. Dann begegnen Eltern ihren Kindern auch im Digitalen auf Augenhöhe und Kinder müssen nicht das Gefühl haben: Meine Eltern haben doch eh keine Ahnung!

 

7. Wie lange dürfen Deine Töchter digital unterwegs sein?

Leonie: Meine große Tochter (16) reglementiere ich allenfalls noch nachts, wenn ich denke: Jetzt ist aber mal Schlafenszeit. Dann muss das Gerät in den Flur. Tagsüber reguliert sie sich da mittlerweile selbst. Viele Chats, gerade bei WhatsApp, hat sie stumm geschaltet. Gerade die Klassenchats, in denen bis zu 500 Nachrichten in 24 Stunden auflaufen, können ja zum echten Stressfaktor werden. Die Medienzeiten bei meiner kleinen Tochter (6) halte ich individuell. Wenn die Inhalte gut sind, darf sie auch nach der Sendung mit der Maus in der Maus App etwas nachgucken oder spielen.

Liebe Leonie, ich danke Dir für Deine Antworten und Deine wertvolle Arbeit für uns Eltern!

Weitere Tipps für Eltern:
Wer zusätzlich in die eigene Recherche gehen möchte, dem habe ich hier in einem Blogartikel schon einmal nützliche Tipps zusammengestellt. Klicke Dich gern mal durch und sichere Dir Deinen Wissensvorsprung:

„8 konkrete und schnell umsetzbare Tipps, Dein Kind im Umgang mit Medien sicher zu begleiten“

Infos zu den Kursen von Leonie:
Wer etwas tiefer in das Thema einsteigen möchte, kann entweder die kostenlosen Infos von Leonie auf ihren Accounts auf Instagram oder Facebook nutzen oder hier für einen ausführlichen Überblick ihre Kurse buchen: https://kinderdigitalbegleiten.coachy.net/lp/kinder-digital-begleiten-2/

 

2 Kommentare

  1. Danke für den spannenden Artikel, das war für mich sehr hilfreich!

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    • Gern geschehen, liebe Petra 🙂

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Isabelle von Abendroth - elternworkshops & coaching

Ich bin Isabelle, Elterncoach und 3-fach Mutter.

Ich mache Dir Mut, die Mutter so zu sein, die Du wirklich bist.

Erfahre hier mehr über dir Möglichkeiten mit mir zusammenzuarbeiten. In meinen Programmen bekommst Du viele Impulse, Perspektivwechsel und Ideen, wie Dein Alltag mit Kindern entspannter, leichter und harmonischer wird.